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Fahren im Alter: Das sollte man beachten

Für das deutsche Rechtssystem macht es keinen Unterschied, ob ein Fahrer 18 oder 81 ist. Regelmäßige Fahrtüchtigkeitsuntersuchungen oder Senioren-Nachschulungen, wie sie in anderen Ländern Usus sind, werden zwar regelmäßig durch die offizielle Diskussionslandschaft getrieben, führten aber bislang zu keiner offiziellen Regelung. Das wiederum sorgt dafür, dass vielen Senioren nicht im Mindesten bewusst ist, dass sie wegen der mit dem Alter einhergehenden geschwächten Sinne auf eine veränderte Wahrnehmung reagieren sollten. Was es jenseits des Renteneinstiegsalters an Lenkrad und Lenker zu beachten gilt, erklärt deshalb der folgende Artikel.

Ein verantwortungsvoller Fahrer definiert sich auch dadurch, dass er bei erwiesener Untauglichkeit die richtigen Konsequenzen zieht.

1. Routine macht sorglos

Abseits aller medizinischen Faktoren zeigt sich dabei immer wieder eines bei motorisierten Senioren: Aufgrund der langen Zeit, die viele bereits eine Fahrerlaubnis haben und die oft hohen „Lebenslaufleistungen“ agieren viele im Alter von einem überhöhten Podest herunter.

Natürlich bringt die Routine eines langen Autofahrerlebens Sicherheit am Steuer. Doch auch wenn man erst ab 70000 Kilometern von echter Routine sprechen kann, findet jenseits davon jedoch kaum noch ein Lernerfolg statt. Nach rund 250000 Kilometern hat man als Autofahrer sämtliche Standard-Situationen und auch so manche Extremlage erlebt. Und genau dann wird es gefährlich weil Nachlässigkeit beginnt. Schon vor einigen Jahren bewies das eine Studie der Universität Köln, bei der Routiniers gegen Neulinge antreten mussten. Das Ergebnis: Je mehr Routine, desto weniger Gehirnaktivität und Aufmerksamkeit und desto höher die Unfallgefahr.

Für Fahrsenioren bedeutet das, immer auf dem Quivive zu sein. Selbst bei vermeintlich tausendfach erlebten Situationen kann es zu Unvorhergesehenem kommen.

2. Klare Sicht ist lebenswichtig

Auch Augen altern, das dürfte den meisten Senioren spätestens auffallen, wenn die Buchstaben der Frühstückszeitung immer kleiner werden. Das Tückische daran: Der Alterungsprozess verläuft so schleichend, dass er den wenigsten auffällt. Und am Auge gibt es eine Menge von Dingen, die im Alter schlechter funktionieren die aber fürs Autofahren wichtig sind – immerhin laufen 90% aller automobilen Sinnesandrücke über die Augen:

  • Das Gesichtsfeld wird eingeengt
  • Die Fähigkeit des Auges, sich schnell auf unterschiedliche Distanzen scharfzustellen, reduziert sich
  • Die generelle Sehschärfe nimmt ab
  • Das Kontrastsehen verschlechtert sich

Der Bereich, in dem man wirklich scharf sieht, wird im Alter immer kleiner. Hier ein krasses Extrem.

Besonders gefährlich ist zudem, dass die Lichtempfindlichkeit abnimmt und gleichzeitig die Pupille sich nicht mehr so schnell auf wechselnde Lichtverhältnisse anpassen kann. In der Fahrpraxis zeigt sich das dadurch, dass man bei Nachtfahrten nicht nur weniger sieht, sondern auch noch stärker durch Entgegenkommende geblendet wird.

Leider gibt es in Deutschland nur einen augenbedingten Pflichttermin für Privatfahrer: Vor der Führerscheinprüfung. Doch gerade wegen der schleichenden Alterserscheinungen solle man ab 65 mindestens jährlich, besser halbjährlich einen Checkup des Sehvermögens durchführen lassen – denn rund 300000 Unfälle pro Jahr sind allein auf zuvor unerkannte Sehschwächen zurückzuführen. Beim Checkup wird jedes Auge einzeln anhand eines reglementierten Straßentauglichkeits-Tests geprüft Ganz so, als wollte man den Führerschein nochmal machen, bloß ohne amtliches Ergebnis. Das kostet nichts aber am Ende bekommt man eine tragfähige Empfehlung darüber, ob und in welchen Situationen man besser die Hände vom Steuer lassen sollte.

3. Vorsicht mit den Pillen

Es ist eine ziemlich beeindruckende Zahl: Über sieben Medikamente nehmen Deutschlands Senioren zu sich – täglich wohlgemerkt. Doch was die Wirkungen von Altersdiabetes bekämpft oder Rheumabeschwerden dämpft, hat auch immense Auswirkungen auf die Fahrtüchtigkeit.

Ganze sieben Medikamente schluckt der Duchschnittsrentner täglich. Viele der Mittel reduzieren die Fahrtauglichkeit.

Und das führt direkt zu einer zweiten, ebenfalls beeindruckenden Zahl. Denn der Verkehrssicherheitsrat hat sich die Beipackzettel der rund 55000 hierzulande zugelassener Medikamente angeschaut. Das Ergebnis gibt zu denken, denn fast 3000 der Mittel senken die Fahrtüchtigkeit. Dazu gehören Herztabletten ebenso wie Schmerzmittel und Psychopharmaka. Fast alle wirken sich negativ auf die sowieso schon altersbedingte Reaktionszeit aus. Etwa, weil sie müde machen – auch unbemerkt.

Für Senioren bedeutet das, jedes aktuelle und zukünftige Medikament prüfen zu lassen. Nicht selbst, sondern durch Hausarzt oder Apotheker. Und dies mit der ganz klaren Frage: „Beeinflusst das mein Fahrvermögen?“. Falls ja, muss entschieden werden, wie es weitergeht. Immerhin haben sämtliche Medikamente eine begrenzte Wirkdauer, sodass es wahrscheinlich nur bestimmte Zeitfenster nach der Einnahme gibt, währenddessen man nicht fahren sollte.

4.Mach’s dir übersichtlich und leger

Es gibt viele Menschen, für die machen hohe Autos, etwa, aber nicht ausschließlich SUVs, tatsächlich keinen Sinn. Doch Senioren sind von dieser Regelung ausgenommen. Denn gerade solche hohen Fahrzeuge können mit vielen Vorteilen aufwarten, welche die Fahrtüchtigkeit in diesem Alter unterstützen:

  • Die Höhe macht das Einsteigen und Sitzen komfortabler
  • Die Übersichtlichkeit ist wesentlich besser
  • Das senkrecht abfallende Heck erleichtert das Einparken
  • Der Kofferraum ist höher und lässt sich leichter be- und entladen

Kein Wunder also, dass bei einem speziellen Test des ADAC für besonders seniorenfreundliche Automobile typische kleine SUVs sowie Hochdachlimousinen vom Schlage einer Mercedes-B-Klasse oder VW Golf Plus besonders gut abschnitten. In die gleiche Kerbe schlägt auch der brandneue VW T-Roc.

Doch das Auto ist nur eine Seite der Übersichtlichkeits-Medaille. Die andere ist die persönliche Ausstattung, allen voran ein Gegenstand, der bei 90 Prozent aller Ü-65-jährigen auf der Nase sitzt: die Brille. Denn schaut man sich die derzeitige Modellpalette an, fällt schnell auf, dass dicke Rahmen und breite Bügel nach wie vor hochbeliebt sind.

Doch genau auf solche Exemplare sollten fahrende Senioren bei allem Sinn fürs Modische verzichten: Sie schränken das Sichtfeld weiter ein und sorgen dafür, dass man Dinge links und rechts im Verkehr nur durch Kopfdrehen erkennt und nicht nur durch eine Augenbewegung. Besser sind Brillen mit dünnen, aber deutlich wahrnehmbaren Rändern – das rahmenlose Extrem ist hingegen ebenfalls problematisch, weil man keine genaue Grenze erkennen kann.

Ein weiterer Punkt ist die Kleidung. Zum Altern gehört es, dass man kälteempfindlicher wird. Unter anderem deshalb, weil bei Senioren der Kreislauf keine jugendlichen Leistungen mehr vollbringt. Viele Rentner kompensieren dies durch dicke Lagen Kleidung und sorgen so direkt für Gefahr am Steuer.

  • Reduzierte Beweglichkeit
  • Gefahr des Hängenbleibens / Verhedderns
  • Reduzierte Wirksamkeit des Anschnallgurtes

Das alles sind Folgen von zu viel Kleidung am Steuer. Vermeiden lässt es sich in der Praxis dadurch, dass man mit so wenigen Bekleidungsschichten wie möglich hinterm Steuer sitzt. Ein dünner Pullover sollte das Maximum sein. Und Jacken haben im Auto nur auf der Rückbank etwas verloren. Gegen das Frieren auf den ersten Kilometern hilft eine schnell aufheizende Sitzheizung. Und legt man gleich mehrere Fahrtermine zusammen, reichen die Strecken auch, damit der Motor warm wird und somit auch die vollwertige Innenraumheizung ihre Leistung entfalten kann – ganz nebenbei schont das auch noch den Motor, der häufige Kaltstarts gar nicht mag.

5. Hab ich es noch drauf?

Abseits aller bislang genannten Faktoren hat der hessische TÜV zusätzlich einen kleinen Test erarbeitet, anhand dessen Senioren selbst ihre Fahrtauglichkeit einschätzen können. Bei mehr als vier Punkten sollte ein Gespräch mit dem Hausarzt klären, ob man tatsächlich noch fahrtauglich ist.

  • Ich fahre ungerne nachts oder bei Dämmerung und entgegenkommende Fahrzeuge blenden mich stark (1 Punkt)
  • Mir passierten bereits unerklärliche Unfälle oder Beinahe-Zusammenstöße (4 Punkte)
  • Ich verfahre mich öfter (1 Punkt)
  • Das Autofahren kommt mir viel anstrengender vor als früher (1 Punkt)
  • Ich kann schlecht die Geschwindigkeit anderer Verkehrsteilnehmer einschätzen (2 Punkte)
  • Mein Fahrstil wird häufig kritisiert, manche fahren nur ungerne bei mir mit (2 Punkte)
  • Hohe Verkehrsdichte und/oder fremde Umgebungen sorgen dafür, dass ich mich unsicher fühle (1 Punkt)
  • Ich glaube, dass ich in kritischen Situationen langsamer reagiere als früher (1 Punkt)
  • Ich biege höchst ungern in große Straßen ohne Ampel ein (2 Punkte)
  • Auch tagsüber bin ich oft richtiggehend müde (2 Punkte)
  • In letzter Zeit werde ich oft von anderen angehupt (1 Punkt)

Und wenn dem so ist, sollte man als starker Senior auch das Rückgrat haben, freiwillig und ohne Gesetzeszwang zu sagen das war’s. Man muss nicht zwingend den Führerschein abgeben. Aber den Schlüssel liegenlassen sollte man definit.

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