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Altkennzeichen – die Rückkehr in längst vergangene Zeiten

ÖHR, SFB oder ALZ – nie gehört? Kein Wunder! Denn diese Kennzeichen waren lange von der Bildfläche verschwunden und gehören zu so kleinen Städten, dass kaum jemand sie kennt. Seit einigen Jahren erhalten sogenannte Altkennzeichen aber wieder neuen Aufschwung. Denn seit dem 1. November 2012 können Landkreise und Bundesländer die Altkennzeichen wiedereinführen. Hierfür müssen sie einen Antrag beim Bundesministerium für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung stellen. Dieses genehmigt dann das Altkennzeichen, oder eben nicht. Der Autofahrer entscheidet nach der Freigabe der Altkennzeichen selbst, welche Buchstaben er künftig auf seinem Nummernschild haben möchte. Er wählt zwischen dem Kennzeichen für den Landkreis und dem Altkennzeichen, das eine Stadt innerhalb eines Landkreises bezeichnet. In Bundesländern wie Sachsen und Sachsen-Anhalt wurden noch 2012 die ersten Altkennzeichen beantragt. Auch die Bayern sehnen sich offenbar nach früheren Zeiten, sodass heute mehr alte Kennzeichen in der süddeutschen Provinz zu finden sind als in jedem anderen Bundesland. Bis August 2015 wurde in 12 von 16 Bundesländern von den Möglichkeiten der Altkennzeichen-Einführung Gebrauch gemacht. Neben den drei Stadtstaaten Berlin, Hamburg und Bremen hat nur das Saarland bisher auf nostalgische Kennzeichen-Anträge verzichtet.

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Altkennzeichen dürfen seit 2012 wieder zugelassen werden

Viele Kennzeichen fielen Gebietsreformen zum Opfer

In den 1960er und 1970er Jahren wurden in Deutschland viele alte Autokennzeichen abgeschafft. Durch Gebietsreformen wurden neue Landkreise geschaffen, die auch auf den Kennzeichen zu finden waren. Vorher genutzte Städte- und Gemeindekürzel wurden fortan nicht mehr vergeben. Ganz von der Bildfläche verschwanden die alten Kennzeichen deswegen aber nicht. Denn nur bei einer Um- oder Neuanmeldung wurden die neuen Kennzeichen vergeben. Wer seit der Gebietsreform noch im alten Auto unterwegs ist, musste sein Altkennzeichen niemals abgeben. In vielen ländlichen Gebieten sieht man vor allem Traktoren mit solchen alten Kennzeichen, weil diese besonders langlebig und robust sind. Aber auch einige Autos sind seit über 40 Jahren angemeldet und daher noch mit einem alten Kennzeichen versehen. Diese erkennt man daran, dass es sich nicht um Europa-Kennzeichen handelt. Es fehlt die Länderkennung seitlich auf dem Nummernschild.

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Die Kennzeichenliberalisierung erlaubt die Wiedereinführung von Altkennzeichen

Lokalpatriotismus vs. Zusammengehörigkeitsgefühl

Doch auch bei Neuanmeldungen sind nun wieder Altkennzeichen möglich. Seit 2012 können Nostalgiker nämlich aufatmen und mit ihrem Kennzeichen von anno dazumal wieder in alten Zeiten schwelgen. Es wächst zusammen, was zusammengehört? Alles Quatsch, finden die Freunde der Uralt-Kennzeichen. So fordern beispielsweise Einwohner von Rheda-Wiedenbrück die Wiedereinführung ihres geliebten WD-Kennzeichens. Seit der Gebietsreform gehört Rheda-Wiedenbrück zum Landkreis Gütersloh und trägt daher das Kennzeichen GT. Der Heimatverein, der sich seit Jahren darum bemüht, aus den einst unabhängigen und inzwischen zusammengelegten Gemeinden eine Einheit zu machen, ist entsetzt über solche Wünsche. Würde doch die Abschaffung des bisherigen GT-Kennzeichens zugunsten von WD die Stadt sichtbar spalten.

Altkennzeichen erfreuen sich großer Beliebtheit

Jeder soll sehen, aus welchem Dorf man kommt, und das geht nur, wenn das Kennzeichen den Wohnort exakt wiedergibt. Da werden selbst die ansonsten oft verpönten drei Buchstaben freudig in Kauf genommen und alle Klischees ignoriert, die Fahrern mit solchen Kennzeichen nur geringe Fahrkompetenz zubilligen. Doch wo setzt man die Grenzen beim Lokalpatriotismus? Soll jedes Dorf mit mehr Kühen als Autos ein eigenes Kennzeichen bekommen? Bisher können Altkennzeichen beantragt werden, die es vor den Gebietsreformen schon mal gab. Doch was, wenn manche Fahrer auch dort auf ein eigenes Kennzeichen bestehen, wo es noch nie eins gab? Kritiker halten die Kennzeichenliberalisierung für überflüssig. Trotzdem genießen die Altkennzeichen einigen Zulauf, wie die Zahlen aus den einzelnen Bundesländern für neugeschaffene Altkürzel zeigen (Stand 8/2015):

  • Baden-Württemberg: 15
  • Bayern: 61
  • Brandenburg: 22
  • Hessen: 18
  • Mecklenburg-Vorpommern: 27
  • Niedersachsen: 10
  • Nordrhein-Westfalen: 26
  • Rheinland-Pfalz: 12
  • Sachsen: 45
  • Sachsen-Anhalt: 38
  • Schleswig-Holstein: 2
  • Thüringen: 20

Viele neue Wunschkennzeichen sind durch die Liberalisierung möglich

Insgesamt gibt es aktuell rund 800 Regionalkürzel mit ein bis drei Buchstaben, die auf deutschen Kennzeichen zu finden sind. Vor allem bis dato unmögliche Wunsch-Kombinationen sind nun wieder zu haben. So fahren viele Bad Segeberger nun wieder mit der Buchstabenkombi SE-XY durchs Land. Auch PIR-AT, V-IP oder ST-AR stehen hoch im Kurs. Verboten ist übrigens die Buchstabenkombination BUL-LE, auf die man kommen könnte, wenn man in Burglengenfeld gemeldet ist. Diese zog der Landkreis wegen einer möglichen Beleidigung aus dem Verkehr. Freuen dürfte die Kennzeichenliberalisierung jene Autofahrer, die auf Reisen gerne Kennzeichen raten. Nach einer Umfrage der AachenMünchener Versicherung sind das immerhin 64 Prozent der Befragten, die sich nun über etwa 300 neue Kennzeichen zum Rätseln freuen können. Viele weitere dürften aber vermutlich nicht hinzukommen. Denn nach 261 wiederbelebten Kürzeln zum Jahresende 2013 sind es seitdem kaum noch mehr geworden.